Probiotika in der Zahnheilkunde

Ein neuer Weg zur konventionellen Pharmakotherapie der infektiösen Erkrankungen der Mundhöhle wie Karies und Parodontitis?

Vielleicht wissen nicht alle, dass über 900 verschiedene Spezies die Mundhöhle bewohnen. Wie wichtig ein solcher diversifizierter Biofilm für die orale Gesundheit ist, versteht man an Hand der Tatsache, dass viele Infektionen der Mundhöhle durch eine verminderte bakterielle Vielfalt entstehen, und zwar als Folge eines unkontrollierten und übermäßigen Wachstums pathogener Mikroorganismen. Wie kann man die Anzahl der pathogenen Bakterien in der Mundhöhle reduzieren, um gegen die Infektionen anzugehen? Verschieden Methoden sind zur Verfügung, wie die Antibiotika und die Desinfektionsmittel. Leider haben solche Mittel als Nachteil, eine geringe Selektivität und das Risiko, Antibiotikaresistenz zu bilden. Ein ergänzender und wirkender Weg dazu können die Probiotika erbringen. Sie sind nichtpathogene Mikroorganismen, die zugeführt werden, um die Diversität des Biofilmes zu fördern und zu erhalten. Diese gesundheitsassoziierten Bakterien sollten einen Platz im Biofilm einnehmen, zu Ungunsten der pathogene Keime, und somit die infektiösen Erkrankungen der Mundhöhle bekämpfen. Zu diesen zählen Laktobazillen, Bifidobakterien, einige Streptokokken oder Pilze. Probiotika sind auch keine genetisch veränderte Bakterien, sie sind säuretolerant (azidurisch) und von gesunden Menschen isoliert. Ferner werden die Probiotika als sicher eingestuft, auch für Immunsupprimierte, obwohl ihr Verwenden bei schwerkranken Patienten und diejenigen, die eine verminderte Immunabwehr haben (wie HIV-Patienten), zurückhaltend geschehen soll.
Zu Betonen ist die Notwendigkeit der täglichen Einnahme solcher Bakterien, um das präventive und therapeutische Niveau aufrecht zu erhalten, welches sich nach etwa 4 bis 5 Tagen einstellt. Eine strengere Definition des Begriffes “Probiotika” existiert im Moment nicht und deshalb sind einige Produkte auf dem Markt zu finden, die nur eine unbedeutende Menge aktiver Bakterien enthalten und deren klinische Dokumentation sehr begrenzt ist. Erforschte Auswirkungen auf die orale Gesundheit, sind momentan nur auf Karies und Parodontitis begrenzt, obwohl positive Wirkungen auch bei Halitosis (unangenehmer Geruch der Atemluft) und Hyposalivation (die Reduzierung des Speichelflusses ) denkbar sind. Eine optimale Dosis zur Prävention oraler Erkrankungen ist nicht bekannt, aber allgemeinmedizinisch gültige Empfehlungen auf die Zahnmedizin übertragend, kann man sagen, dass täglich 1-2 dl Flüssigkeit (z.B. Joghurt) mit ungefähr 108 lebenden Bakterien pro ml einzunehmen sind. Der genauere Wirksamkeitsmechanismus der Probiotika ist noch nicht ganz klar, aber man weiß schon ganz bestimmt, dass ihre positive Wirkung in der Mundhöhle, nicht nur einfach der direkten Kolonisierung des oralen Biofilms zuzuschreiben ist, sondern auch einer indirekten, d.h. systemischen bzw. immunologischen Tätigkeit, die sie über den Gastrointestinaltrakt ausüben. Obwohl klar ist, dass Probiotika im Gastrointestinaltrakt positive Effekte bewirken, ist dasselbe hingegen für die Mundgesundheit noch abzuklären. Wohl können probiotische Bakterien die Anzahl der kariesassoziierten Keime im Mund verringern und die Rekolonisierung parodontopathogener Mikroorganismen hemmen, aber leider können wir zum heutigen Zeitpunkt noch keine evidenzbasierte klinische Empfehlung aussprechen, wobei die Zusammensetzung von Probiotika und Milchprodukten, die remineralisierenden Inhaltsstoffe wie Kalzium, Phosphat und Kasein enthalten, eine erfolgversprechende Kombination zur Kariesprävention darstellen.

Vgl.: Fortschritte der Zahnerhaltung, Hrsg. von A. Lussi und M. Schaffner, 2010 Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin

Zusammenhang von Kausystem und Bewegungsapparat

Über Ästhetik wird heute in der Zahnmedizin viel diskutiert. Ästhetik und Funktion-nicht nur die Zähne-bilden eine Einheit, die als Ganzes betrachtet werden sollte(1).
In diesem Artikel wird auf den Zusammenhang des gesamten Bewegungsapparates mit dem Kausystem eingegangen.

Dabei werden skeletale und dentale Problemstellungen und ihre Auswirkungen auf das Kausystem und den Bewegungsapparat erläutert. Viele dieser Zusammenhänge gelten als „alternativmedizinisch“und finden in der klassischen Schulmedizin wenig Beachtung.
Zusammenhänge zwischen Atmung, Körperhaltung und Kauorgan wurden in der Literatur schon seit längerem beschrieben(2). Im täglichen Umgang mit dem Patienten steht für den Zahnarzt der Ersatz fehlender Zahnsubstanz im Vordergrund. Dabei ist es in der zahntechnischen Herstellung des Zahnersatzes notwendig eine möglichst exakte Übertragung der vom Zahnarzt am Patienten genommenen Registrate in ein Simulationsgerät (Artikulator) vorzunehmen. Es werden Gipsmodelle der Zähne angefertigt, welche in einer dreidimensionalen Orientierung gegenüber gewisser Referenzlinien im Artikulator montiert werden. Werden zusätzlich zur Horizontalebene weitere Hilfslinien wie die Bipupillar- sowie die Kommissurenlinie, eher selten auch der Verlauf der Schultern eingezeichnet, so lassen sich manchmal Halteschäden erkennen. Es stellt sich die Frage, ob dieses Missverhältnis anatomisch bedingt ist oder duch mangelhafte prothetische Versorgung verursacht wird.
Das Skelett lässt sich in die Wirbelsäule, den Atlas-, den Schulter-, den Hüft- und den Kniebereich unterteilen, die in einem Zusammenhang miteinander stehen. Fehlstellungen der Zähne bzw. unzureichender Zahnersatz verursachen eine muskuläre Kompensation. Eine einseitige Infraokklusion verursacht eine Neigung des Kopfes .Der Blick wird „schief“. Das Gleichgewichtsorgan sowie die Augen und somit das Gehirn vermitteln dem Patienten jedoch, dass er gerade schauen soll. Dann versucht der Patient, den Kopf senkrecht zur Wirbelsäule auszurichten. Da wir muskulär im gesamten Skelett verbunden sind, werden seinen Schultern unbewusst dieser Bewegung folgen. Nun beobachtet man auch, dass das Bein zu kurz ist . Damit stellt sich die Frage, ob das Bein zu kurz ist und durch einen falschen Biss verursacht wird. Besteht also das Problem im Kopfbereich und wirkt nach unten oder besteht das Problem im Beinbereich und wirkt nach oben? Eine weitere Frage ziehlt darauf ab, ob hier ebenfalls innere Organe, Bakterien oder andere Ursachen die Mitverantwortung für eine solche Körperhaltung tragen. Der Mensch muss als Einheit betrachtet werden(3). Ist der Patient in Bewegung, kann er an den vier zuvor beschriebenen Stellen( Atlas,Schultern,Hüfte,Knie) eventuelle Haltungsschäden kompensieren. Im Sitzen dagegen ist der Patient lediglich in der Lage, mit Schulter und Atlas zu kompensieren.
Betrachtet man den Patienten unter diesem Gesichtspunkt, dann wird klar wie schwierig es sein muss, eine entsprechende Bissregistrierung bei ihm vorzunehmen.Wir stellen uns normalerweise ein ebenmäßig idealisiertes Bild des Skeletts vor. Was aber passiert aber, wenn genau dieses theoretische Idealbild nicht erfüllt wird? Es gibt viele Ursachen für Asymmetrien welche bei der Aufnahme der Anamnese angesprochen werden sollten: ein Sturz im Kindesalter, Gelenkproblematiken, Probleme im Bereich der Hüfte oder mit den Bandscheiben, Verspannungen im Genick, Organerkrankungen usw.
In der Zahnarztpraxis werden fehlerhafte Körperhaltungen im Kopf- und Schulterbereich beurteilt. Erkennt man eine Fehlerhaltung, ist es sicherlich nicht mehr die Aufgabe des Zahnarztes das genaue Krankheitsbild zu diagnostizieren oder zu therapieren. In solchen Fällen ist es indiziert, einen Physiotherapeuten oder Osteopathen zur Beratung und Behandlung heranzuziehen. Normalerweise müssen solche Patienten über eine Schienentherapie sowie begleitend durch einen Physiotherapeuten und/oder Osteopathen erst einmal wieder in einen stabilen ausgeglichenen Zustand gebracht werden. Es ist in der Literatur belegt, daß eine pysiotherapeutische Behandlung die natürliche Kopfhaltung verbessern und den Bruxismus reduzieren kann(4).
Bei der schädelbezüglichen Registrierung stellt sich die Frage nach der richtigen Körperhaltung bzw. der richtigen Sitzposition des Patienten während der Erstellung des Bissregistrates. Damit verbunden ist die Fragestellung der Aufzeichnung von Gelenksbahnen etc. In wieweit können wir bei vorhandenen Fehlhaltungen sicher sein, dass die gefundenen Werte nicht pathologisch sind? Die Fehlerquellen können vielseitig sein, wenn dies Faktoren nicht beachtet werden.

Literatur

(1)The European Journal of Esthetic Dentistry Jahrgang 6 Nummer 4 Winter 2011 438-462
(2)Slavicek R. Das Kauorgan. Klosterneuburg: Gamma, 2000: 199-267
(3)Bahnemann F. Anthropologische Grundlagen einer Ganzheitsmedizin: Heidelberg: Haug Verlag, 1992
(4)Quintero Y, Restrepo CC, Tamayo V, et al. Effect of awareness through movement on the head posture of bruxist children. J Oral Rehabil 2009;36:18-25

Das „Cracked-Tooth-Syndrom“ (CTS)

Die Gesamtheit der Beschwerden, die aus Rissen der Zahnsubstanz entstehen können.

Eine relativ seltene Krankheit, die in Frage kommen kann, wenn man unter unklaren und rätselhaften chronischen Schmerzen eines Zahnes leidet, ist das „Cracked-tooth-Syndrom“ (CTS). Dazu gehört jede Art des Zahnbruches, und zwar den einfachen Schmelzriss (relativ häufig), den unvollständig frakturierten Zahn (Infraktion), die Höckerfraktur, die vertikale Wurzelfraktur und den gespaltenen Zahn. Oftmals ist eine Infraktion symptomlos oder sie ruft nur unspezifische Beschwerden hervor. Beide erschweren die Diagnose dieser Krankheit. Trotzdem können frakturtypische Beschwerden vorkommen und es ist sehr wichtig, sich der Aufmerksamkeit des Zahnarztes kurzfristig zu unterziehen, um schwere Folgen zu vermeiden. Zahnfrakturen sind nämlich die dritthäufigste Ursache für Zahnverlust in den industrialisierten Gesellschaften.
In unserer Praxis werden wir mit der Frühdiagnose solcher Krankheiten nicht so selten konfrontiert, wobei die Prävention eine Hauptrolle spielt. Diese besteht hauptsächlich in einer defektbezogenen minimalinvasiven Präparation, in der sehr darauf geachtet wird, Zahnhärtesubstanzverluste zu reduzieren, die die Zähne schwächen und sie für Infraktionen anfällig machen können. Die Molaren, vor allem des Unterkiefers, sind am meisten betroffen, dann folgen die Prämolaren. In jedem Alter können Infraktionen geschehen, obwohl sie am meistens zwischen den 40. und 50. Lebensjahre auftreten. Gefüllte Zähne sind häufiger von Frakturen und Infraktionen betroffen als die ungefüllte, wurzelbehandelte Zähne sind es am meisten. Ursache sind vor allem unphysiologische Kaukräfte, die im Laufe der Zeit für die Zähne nicht mehr auszuhalten sind, und die letztendlich zu Infraktionen führen. Dabei spielt eine beeinflussende Rolle nicht nur morphologische Faktoren der Zähnen, sondern auch Störungen in der Verzahnung (z. B. starke Kontakte im Molarbereich bei frontoffenem Biss und Kreuzbiss), und vor allem jede Art von Zahnhärtesubstanzverlusten, z.B. die von Karies und der darauf folgenden Restauration bedingt.
Viele Therapieformen sind zu Verfügung, wobei die Kompositrestaurationen eine über Jahre hinweg erfolgreiche Therapie darstellen können. Hauptziel der Behandlung symptomatischer Zahne ist neben Beschwerdenfreiheit, die Weiterausbreitung des Frakturspalts zu verhindern oder mindestens zu reduzieren.

Vgl.: Fortschritte der Zahnerhaltung, Hrsg. von A. Lussi und M. Schaffner, 2010 Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin

Röntgen-Strahlenbelastung wird immer geringer

Röntgenstrahlen können bekanntlich schädigende Einflüsse auf den Körper bzw. das Erbgut des Menschen und seine Zellen haben. Gut zu wissen, dass die Strahlenbelastung immer geringer wird. Dem ALARA-Prinzip („As Low As Reasonably Achievable“) als Leitfaden folgend, wurde aus dem analogen Röntgen ein digitales Verfahren mit einer nochmaligen Strahlenreduktion um fast 50 % bei Zahnfilmen entwickelt. Diese bewegen sich nun im einstelligen µSv-Bereich. Im Vergleich dazu: Mit einem Langstreckenflug Frankfurt-New York erreichen Sie eine effektive Dosis von ca. 100 µSv. Eine natürliche Strahlenbelastung von 2,1 mSv in Deutschland pro Jahr unterstreicht nochmals, wie gering die Belastung bei zahnärztlichem Röntgen bereits gehalten werden kann.
(Quellen: Kiefer, Lamprecht, Roth 2004; Rathje et al. 2007; Düker 2006)

Physiotherapie in der Zahnmedizin

Die Physiotherapie hilft unter anderem Sportlern, sich nach muskulären Verletzungen schneller zu regenerieren und wieder richtig in Gang zu kommen. Daher erscheint es plausibel, dass auch z.B. dem Musculus masseter – auf seine Größe bezogen dem kräftigsten Muskel des Menschen – mit physiotherapeutischer Behandlung geholfen werden kann.
Oftmals nehmen Patienten gar nicht wahr, dass sie Probleme im Bereich des Kauapparates haben könnten. Für viele scheint es normal, sich beim ersten morgendlichen Gähnen über „eingerostete“ Kaumuskeln bzw. Kiefergelenke zu wundern. Bruxismus ist meist die Diagnose: ein nächtliches Knirschen, Reiben der Zahnreihen gegeneinander und festes, unbewusstes Pressen schädigt dabei zunächst die Zahnhartsubstanz. Später kann ein Verlust der Bisshöhe drohen. Die Kaumuskulatur kann bei solch einem Krankheitsbild sogar eine typische Hypertrophie – also eine starke Ausprägung der Muskulatur – ausbilden.
In enger Zusammenarbeit von Physiotherapeut und Zahnarzt kann hierbei gezielt gegengesteuert werden. Eine Schiene schützt zum einen vor nächtlichem Zahnabrieb und kann zugleich eine Entspannung der Kaumuskulatur bewirken. Bei schweren funktionellen Problemen wird die Schiene möglichst immer getragen. Eine Funktionstherapie erfolgt immer in Verbindung mit Physiotherapie: Die Muskulatur wird gelockert, Malfunktionsmuster aufgebrochen und Bewegungseinschränkungen bei Mundöffnung beseitigt. Zu berücksichtigen ist, dass eine Therapie von craniomandibulären Dysfunktionen (CMD) Zeit beansprucht. Mindestens 6 Sitzungen zu etwa einer halben Stunde sind deshalb notwendig.
Symptome für craniomandibuläre Dysfunktionen sind mannigfaltig: Schulter- und Nackenbeschwerden, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Schmerzen beim Kauen, Verhärtungen in der Wangenregion. Auch Schwindel und Tinnitus können auftreten.